…hat so ihre ganz eigenen Regeln. Das jedenfalls musste neulich Ingrid feststellen, eine Freundin aus El Salvador. Der Bericht ihres Kampfes um ein Sprachdiplom.
„Ich hatte extra einen Wisch dabei, der besagte, dass ich nicht immer zu dem Sprachkurs kommen konnte, weil ich auf die Kinder aufpassen musste“, erzählt mir Ingrid, leicht aufgebracht. Seit fast einem Jahr ist sie nun in Paris, als Au-Pair-Mädchen. Eine Etappe, die sie bald hinter sich lassen will: Sie bewirbt sich für einen Master in internationalem Recht. Diese Bewerbung ist aber eben nur mit Sprachdiplom möglich.
„Doch meine Lehrerin hat mich nur angeguckt und gemeint: ‚Nee, das geht nicht. Sie haben einfach zu viel gefehlt. Aber sie könnens ja nochmal bei unserer Sekretärin probieren, mit nem netten Lächeln…‘ „, fährt sie fort.
Also geht Ingrid ins Sekretariat – trotzdem voller Hoffnung und mit einem breiten Lächeln auf den Lippeln. „Nein“, raunzt ihr dort der Verwaltungsangestellte entgegen. Das sei ja wohl eine Frechheit, Sprachdiplome könne man nur erwerben, wenn man auch zum Sprachkurs geht und ob sie sich eigentlich über die Uni lustig mache.
Nein, entgegnet Ingrid und verweist auf ihre Noten: Nur sehr gute Arbeiten habe sie geschrieben. Schließlich habe sie gelernt und kommen hätte sie tatsächlich nicht können – sie musste ja arbeiten.
Minutenlang geht das so hin und her – alle im Büro Wartenden sind nach den lauten Zurechtweisungen des schon etwas älteren Mannes nun über Ingrids Situation auf dem Laufenden. Dann verlangt Ingrid, mit dem Chef zu sprechen.
Eine Chefin ist das, mit Familie, wie Ingrid auf den Photos in deren Büro erkennt. „Also hab ich natürlich erstmal nach ihren Kindern gefragt“, erzählt sie mir, nun grinsend. Und so verstehen sich die zwei Frauen. Als die Chefin dann noch Ingrids Noten sieht, meint sie: „Sie sind ja super!“
Dem Diplom steht also nicht mehr im Wege – außer einer Sache, wie die Chefin erklärt: „Ich kann Ihnen das eigentlich so nicht geben, schließlich verstößt das gegen die Regeln. Also tuen wir jetzt so, als würde ich ’nein‘ sagen – und dann schiebe ich Ihnen ganz heimlich das Diplom in den Umschlag.“
Und nachdem sich die Chefin minutenlang künstlich aufgeregt hat, schlurft Ingrid mit hängendem Kopf aus dem Büro, vorbei an einem zufrieden grinsenden Sekretär. Denn der hat ja das leicht verschmitzte Grinsen auf Ingrids Lippen nicht gesehen…
L.