… ein Gitarrenkönig und zehn nasse Hunde „made my night out“ (meinen Abend abrundeten) – in einem kleinen, gemütlichen Pub in der Nähe von Saint Michel.
„Ach komm schon, auf ein kurzes (Bier)…“ Florian guckt mich flehentlich an, während er den letzten Bissen seiner Pizza Margherita dezimiert. Ich süppele den Rest meiner heißen Schokolade, atme einmal tief durch und entgegne: „Na gut, aber nur eins – schließlich muss ich morgen früh raus!“
Wir stolpern aus der blau erleuchteten Pizzeria – in die bittere Kälte. Und nachdem ich meinen Begleiter erfolgreich um lautstarke Touristen-Salsa-Bars herumgelotst habe (die ihn quasi magisch anziehen!), entscheiden wir uns für den Irish Pub Galway, mit seinen blauen Holzfenstern, den zehn Menschenseelen vor der Bar und einem Voku-Hila-Kellner (Britpop- anstelle von Wolle-Petry-Style) hinter der Bar.
„One orange juice“, sage ich zum Letzterem und platziere den Motorradhelm unter meinen Hocker. Flo stiert geradeaus, bevor er leicht verwirrt hervorbringt: „Äh…one Leffe, please…“ und wieder zurückverfällt – ins Starren. Im Zentrum seiner Aufmerksamkeit: Hunderte von Geldscheinen, die an die Regalwände hinter der Theke gepinnt sind – jeder mit einem persönlichen Gruß versehen. „Ob sich das wohl lohnt…?“ frage ich, nun auch leicht verträumt. „Nee“, meint er, mit dem Kopf schüttelnd, „das sind vielleicht höchstens … naja, 100 Dollar oder so.“ Und während ich noch versuche, einzelne Ein-Dollar-Noten zusammenzuzählen und andere Geldscheine zu identifizieren, zappelt es auf einmal rechts in meinem Blickfeld: Ein kleiner, dünner Opi mit Hut hüpft fröhlich auf seinem Barhocker hoch runter, prostet mir über Florian hinweg breit grinsend zu. Ich lächele kurz, nicke und wende mich wieder den Geldscheinen zu.
Da bewegt sich auf einmal der Stuhl links neben mir. Ein Mittvierziger nimmt Platz und stößt durch seine Bewegung einen Schwall Luft zu mir herüber – der den verführerischen Duft von Zigarettenrauch und circa zehn nassen Hunden mit sich bringt.
Während ich daraufhin verzweifelt versuche, durch die Nase zu atmen, bestellt Monsieur lallend ein … Bier (?) bei der rotschöpfigen Kellnerin (die dem Britpopper zur Seite gehuscht ist). Sie zieht die Augenbrauen zusammen und meint etwas wie „also ehrlich, das macht man nicht“. Verstanden habe ich seine Rede nicht, kann mir also nicht wirklich einen Reim daraus machen – bis die zehn Hunde sich zu mir drehen, mir Zigaretten-Atem ins Gesicht blasen und sagen, auf die Miss hinter der Bar zeigend: „Ah, je l’aime“ (Ah, ich liebe sie). Wieder lächele ich, nicke kurz, drehe mich auf die andere Seite, zu Florian und atme durch.
Und während ich versuche, den hüpfenden Opi im Hintergrund zu ignorieren, klingt auf einmal Gitarrensound durch den ganzen, zugegeben kleinen, Pub. Ein grellblond gefärbter Endzwanziger in schwarzem Hemd, schwarzer Armee-Hose und Springerstiefeln grinst ins Mikrofon: „Hello, good evening, bonsoir! Welcome to the open-mic night. So, I’m gonna play a couple of songs and then I hope that you are going to take over…“ (Guten Abend! Willkommen zum Offenes-Mikrofon-Abend. Ich werde jetzt ein paar Songs spielen und hoffe, dass Sie dann übernehmen…) Und noch während er in die Runde strahlt, hüpft Opi mit Hut von seinem Stuhl runter, zur „Bühne“ (dem vorderen Teil des Pubs) und fängt begeistert an zu klatschen. „I do need more fans like him…“, (Von solchen Fans brauche ich mehr…) meint da der Gitarrenkönig grinsend, und wir zehn Männeken stimmen ein in den Applaus. Mister Musik verbeugt sich leicht, hält inne, schüttelt dann leicht den Kopf und sagt: „Thanks – but, eh, I haven’t even done anything yet…“ (Danke – aber ich hab ja noch gar nichts gemacht…)
Also fängt er an zu spielen, erfreut uns mit ein, zwei, drei Liedern und lässt dann die Gitarre sinken. Er schaut ans ferne Ende des Raumes, sagt: „So, jetzt ist es Zeit für mein erstes Opfer…“ und grinst. „Ich glaube, Etienne will uns ein Liedchen spielen.“ Etienne, in weißem Hemd und schwarzem Anzug, will das sichtlich nicht, schüttelt nur grinsend den Kopf und ruft: „Ich hab Pause heute Abend.“
So fährt der Gitarrenkönig härtere Geschütze auf, ruft „Etienne, Etienne, Etienne“. Vergeblich. Da rückt er sein Instrument wieder zurecht und raunt ins Mikrofon: „Etienne, this song’s for you.“ (Etienne, dieses Lied ist für Dich)
„So it is… just like you said it would be…“ tönt er, fast so gut wie im Original:
Opi mit Hut hat sichs indes gemütlich gemacht, sitzt auf einem Hocker zwischen Bar und Bühne, an die Wand gelehnt, und grinst zufrieden vor sich hin. Ich wippe langsam zu dem Song hin und her und will gerade abtauchen, in meine kleine Parallelwelt – als ich jäh wieder aus ihr herausgerissen werde: „Miauuuu“, klingt es von links neben mir, aus Richtung der zehn nassen Hunde, die auch immer noch neben mir sitzen (wie ich nach einem kurzen Seitenblick feststelle). Ein-, zwei-, drei-, viermal gibt Monsieur alles an Katzenlauten, was er hat. Dann greift er seine Jacke, steht auf und stürmt aus dem Laden.
Ich gucke ihm leicht verdattert hinterher, drehe mich dann genauso verdattert zu Flo um. „Gehen wir?“ sagt der.
Ich nicke nur.
L.
Ich Grüße Dich, Lisa
Wie Du Schreibst ist cool, mit der Richtigen
Einstellung zum Humor.