…, der Keller der Verrückten, ist bis zum Ende meiner Ausbildung mein Zuhause, jedenfalls tagsüber. Denn ins erste Untergeschoss meiner Schule dringen weder Tageslicht noch Handywellen. Eine Situation, die der allgemeinen Geistes-Gesundheit nicht zuträglich ist …
„Es ist 10 Uhr 30, die Nachrichten auf CFJ-Radio“, knattert Fabien ins Mikrofon und gibt unserem Techniker Jeff auf der anderen Seite der Glasscheibe ein Handzeichen. Ein Jingle tönt aus den Boxen und während mein Mit-Student die Neuigkeiten aus Frankreich und der Welt vor sich hin brummt (da tiefe, sogar sehr tiefe Stimme), düse ich rüber in den Redaktionsraum, drucke meinen eigenen News-Flash aus.
Mit den Blättern in der Hand, komme ich gerade noch rechtzeitig auf die Produktionsseite unseres Studios zurück, um Fabien sagen zu hören: „…und 80.000 Tote wurden massakriert …“ Das plötzliche, allgemeine Los-Gepruste verstehe ich erst zwei Sekunden später.
Als Nächste besetzen Arthur und ich das Studio. Der geniale Arthur, der nur einen Radio-Fehler hat – den „TGV défaut“: Er spricht wie’n D-Zug, manchmal.
Um dem vorzubeugen, trötet auf der anderen Seite der Glasscheibe Nicolas Martin, diese Woche unser Dozent, ins Mikro. „Arthur“, sagt er, „du entspannst Dich jetzt, sprichst ganz, gaaanz langsam.“ Und fügt hinzu: „Selbst Lisa muss den Text verstehen – und die ist Deutsche und … naja, eben nicht so helle …“ Jeff, Nicolas und Arthur grinsen wie ne ganze Honigkuchenpferd-Herde. Selbst ich kann meine Mundwinkel nicht unten behalten – werfe dennoch in gespielter Wut meinen Kuli gegen die Glasscheibe (und sehe zufrieden, wie Nicolas kurzzeitig unter dem Tisch abtaucht).
Aber wenigstens hat Nicolas‘ Trick gewirkt – jedenfalls teilweise: Arthur hat den TGV-Speed auf Regionalbahn-Niveau herabgesenkt.
Und während er den Zug zum Stehen bringt, rutsche ich leicht unbehaglich auf meinem Stuhl hin und her. „Hachhhh, Lisa!“ trompetet Jeff ins Mikro, das heißt meine Kopfhörer, und gluckst amüsiert. „La Teutonne! Haha!“ Ich blecke die Zähne. Und bis zu meinem Nachrichten-Anpfiff mache ich komische Froschlaute, verziehe mein Gesicht, klopfe mir mit den Fingern auf die Wangenknochen – genau so, wie es uns Sophie, die Schauspielerin, beigebracht hat, um die Stimme vor dem Auftritt zu ölen.
Dennoch flutscht es schließlich nicht so wie ich will, ich verheddere mich in meinen Meldungen. Entschuldigend sage ich schließlich ins Mikro: „Sorry, ich bin Deutsche. Ich bin halt nicht so helle…“ Und grinse halb-senil.
L.