… ruft uns der junge, hyperaktive Mann am Leicester Square in der Mitte Londons zu und versperrt Katja, Ingrid und mir den Weg. „Und Ihr kommt rein für nur drei Pfund, das sind SIEBZIG PROZENT DISCOUNT!“ fügt er hinzu und zappelt begeistert. Obwohl nach einem Tag voller Sightseeing uns gerade, um elf Uhr nachts, die Augen bereits halb zufallen, nicken wir – und lassen uns reinziehen, in den von Neon-Licht beleuchteten Flur …Der große, breite Mann im schwarzen Anzug guckt düster drein. Wortlos wartet er, bis wir über die Aufzugschwelle getrippelt sind. Dann drückt er den Knopf für den dritten Stock. Schon von unten hören wir das melodische Bumm-Bumm der Hip-Hop-Musik. Und wir erwarten einen Raum, halbvoll mit Leuten, die sich auf der Tanzfläche tummeln.
Doch als wir durch die Aufzugstür in die Diskolichter treten, sind wir fast die Einzigen, die zaghaft zu den Bässen nicken. Rechts steht eine Gruppe garantiert unter 18-Jähriger (die eigentlich oft selbst in Pubs obligatorische Personalausweis-Kontrolle vergessen die Türsteher unten wohl systematisch). Die Teenager hüpfen aufgeregt zur Musik hin und her, trauen sich aber noch nicht allein auf die Tanzfläche.
Zu unserer Linken: Zwei Japanerinnen im kurzen (seehr kurzen) Schwarzen und Stilettos. Den Schritt auf das Tanzfeld haben auch sie noch nicht gewagt, wippen nur möglichst sexy um ihren Stehtisch herum. Eine von beiden hält dabei einen Fächer in der Hand. Während sie mit Letzterem ununterbrochen ihr Haar zurückfachert, wirft sie ihren Kopf im Takt abwechselnd nach links und rechts. So kommt ihre Performance der einer Bollywood-Darstellerin gleich, denen ja meist auf wundersame Weise eine leichte Brise durchs Haar weht. Außer uns nimmt von den beiden bisher aber keiner im Raum merklich Notiz.
Wir lassen uns nieder auf bequemen Ledersesseln am Rande der Tanzfläche. Langsam aber sicher füllt sich der Klub, mit Jung-Gangstern in Baggy-Pants, die dicke, goldene Ketten und Baseball-Kappen tragen. Einer von ihnen streckt, kaum ist er an uns vorbeigeschlurft, den Arm aus, zeigt mit dem Finger auf Ingrid, nickt ihr gewollt verführerisch zu. Verführt ist sie allerdings weniger, bricht gemeinsam mit mir in lautes Lachen aus (was den Loverboy nicht davon abhält, Ingrid bei jedem weiteren Vorbeigehen wieder den ausgestreckten Finger entgegenzustrecken und ihr Schlafzimmerblicke zuzuwerfen).
Links von uns an der Wand macht sich indes ein anderer junger Mann für seine Performance bereit: In braunem Hemd, schwarzer Hose und braunen Lederschuhen nickt er melodisch zu der Musik, springt auf einmal hoch von seinem Sessel und vollführt, am Rande der Tanzfläche, eine Breakdance-Einlage (oder so etwas Ähnliches… genau definierbar ist das Ganze nicht). Nach circa einer Minute bricht er die Tanzschritte ab, schüttelt kurz den Kopf und kehrt zu seiner Ausgangsposition zurück – auf dem Sessel, die Tanzfläche fest im Blick.
Die von dem hyperaktiven Mann am Leicester-Square versprochenen 70, 80 Leute sind inzwischen eingetroffen, erste 3er- bis 4er-Grüppchen trauen sich auf das Parkett, gangster-rappen sich zu. Auch die japanische Bollywood-Schönheit mit Anhang wippt und fächert nun über die offizielle Tanzzone.
Die Wirkung des Hip-Hop-Pushes, der uns vorübergehend aus unserem Halbschlaf geweckt hat, läßt jedoch langsam nach: Unsere Augenlider sind wieder auf Halbmast. Also lassen wir den „besten Klub der Stadt“ hinter uns, nehmen wir den Aufzug aus der Neon-Welt nach unten – zurück ins wirkliche Leben.
L.