… fühle ich mich, wenn ich morgens meine Reise durch Londons öffentliches Transportnetz antrete. Für dieses Gefühl verantwortlich: nicht der sich schon in meinem Brustkorb festgesetzte Husten, sondern meine durch die Schweinegrippe-Welle in Angst versetzten Mitreisenden.„Ich hätte gerne Tiger-Balm gegen meinen Husten“, sage ich und blicke in Augen groß wie Autos, die mir das Gefühl geben, ich spräche Chinesisch. „Äh … Tiger Balm ? Gegen Husten …? „, fragt die junge Inderin vorsichtig. „Genau, das schmiert man sich dann auf die Brust und auf den Rücken und schon gehts besser“, erkläre ich der Apothekerin die heilsame Wirkung des Zimt-Mint-Parrafin-Gemisches. „Gegen Muskelschmerzen“ steht auf dessen Verpackung, die ich schließlich in der Hand halte. Von Husten kein Wort.
Dennoch wappne ich mich gegen den täglichen Rush im Vorstadtzug mit der Salbe auf meiner Brust, gebe so den Mitreisenden neben meinem verdächtigen Husten noch einen zweiten Grund zum Abstandhalten – den Geruch nach Erkältung.
Viel hilft das jedoch nicht, es bildet sich keine Schneise vor mir, die Menschen fliehen nicht, als ich in den Zug steige. Auch erhebt sich keiner der Sitzenden und überlässt mir seinen Platz. Scheinbare englische Gleichgültigkeit.
Bis ich huste. Nicht nur einmal, sondern zwei-, drei-, viermal. So dass alles von dem hoch kommt, was sich in meiner Lunge festgesetzt hatte und in dieser Husten-Runde hochgeschleudert werden wollte. Ich huste einfach weiter, denke ich zufrieden, und irgendwann wird sich da schon alles gelöst haben.
Und dann fällt es mir auf. Der Mann links neben mir ist auf einmal leicht von mir abgewandt. Die Frau an der Tür hält sich ein Taschentuch vor den Mund. Ein Pärchen in einer Sitzreihe ein paar Meter entfernt findet das Ganze eher amüsant, grinst, die beiden flüstern sich etwas zu und gucken zu mir rüber.
Als ein neuer Hustenanfall kommt, zuckt die junge Frau links neben mir leicht zusammen. Auch ich werde nervös, es tut mir leid, ich will den Husten unterdrücken. Doch das mündet nur in Atemnot. Und einem erneuten Hustenanfall, stärker als der vorherige.
Endlich kommen wir an, am Bahnhof Waterloo. Die Türen öffnen sich, die Menge fließt hinaus auf den Bahnsteig. Und nicht nur meine Mitreisenden sind sichtlich erleichtert. Auch ich atme auf – und fange erneut an zu husten.
L.