… fragt Alfredo, mein spanischer Mitbewohner, als er neulich abends aus der Stadt wiederkommt. Ich lache nur, habe mich schon an den Geruch von Erbrochenem gewöhnt, der aus der Küche in mein Zimmer hineinzieht. Und bin froh, dass ich in keiner wirklichen Brauerei wohne – selbst wenn unser Haus einer solchen in den vergangenen Tagen verdächtig nahe kommt …
„P. ist ein netter, unkomplizierter Kerl und ein guter Koch“, hatte T. geschrieben, dessen Zimmer ich während meiner drei Monate in London besetze. Und während ich mich schon auf Super-Candlelight-Dinner in einer der tollsten Städte Europas freute, hatte ich ignoriert (verdrängt?), welche Auswüchse eine solche Koch-Liebe (oder sollte ich Wahn sagen??) annehmen könnte.
Einen ersten Vorgeschmack auf diese Auswüchse hatte mir der überdimensionierte Kochtopf voller schwarzem Tee gegeben – „der als Basis für meinen Wein dient“, wie mir der Meister-Koch erklärte.
Schön und gut, wäre der junge Mann nicht auf die Idee gekommen, sich nach dem Weinkeltern am Bierbrauen zu versuchen. Die Zutaten sind schnell bestellt, der Mega-Kochtopf wieder in Startposition. Und während die erste Stunde alles nach Plan verläuft, unsere Küche zwar eingedampft wird, die Gerüche sich in Sachen Schärfe jedoch in Grenzen halten, ändert sich dieses Bild schlagartig in der zweiten Stunde der Operation Bierbrauen: Ein fauliger Geruch nach Erbrochenem zieht durch unser Haus, setzt sich in Alfredos frischgewaschener Wäsche fest (so, dass er diese ein zweites Mal waschen muss), verschlägt jedem halbwegs Riechenden sprichwörtlich den Atem, man fragt sich, wie P. es schafft, nicht ohnmächtig vorneüber in den Kochtopf zu fallen.
Doch er hält stand, bringt den Hexentrunk zu Ende und stellt ein großes, durchsichtiges Fass mitten auf unseren Küchentisch. Das steht es dann die nächste Woche, das Fass, und erinnert uns bei jedem Vorbeigehen daran, wie frisch die Londoner Luft doch ist – außerhalb unseres Hauses!
In der (bestimmt hochgiftigen!) Suppe schwimmen kleine Bröckchen herum – Gerste, Malz oder wad weiß ich was. Je mehr Zeit vergeht, desto mehr plustern sie sich auf, verschönern uns die Landschaft beim Frühstück, Mittag- und Abendessen.
Eines Tages dann ist sie weg, die Suppe über den Flöckchen. P. hat sie wahrscheinlich abgepumpt, in irgendeinen anderen, kleineren Container und sie gärt friedlich in irgendeiner Ecke unseres Hauses weiter. Die Flöckchen hingegen verbleiben im Plastikfass – dekorieren weiterhin unsere pittoreske Küche, einhergehend mit dem zugehörigen Duft …
Dezent mit einem Designer-Tuch abgedeckt verschönert der Plastik-Container unseren Küchentisch.
Und hier die verdächtigen Flöckchen aus der Nähe.
Und ich schwöre mir insgeheim, nie wieder Bier zu trinken.
L.