… begibt man sich bei den Soirée Polyglot bzw. düst durch die Welt. So wie ich gestern Abend, ins vom Drogenkrieg verwüstete Mexico.
„In meinem Leben wurde ich schon dreimal ausgeraubt“, sagt Raquel, eine 22-jährige Mexikanerin mit dunkelbraunem Haar und dunklen Augen. Sie kommt aus der Nähe von Monterrey im nördlichen Staat Nuevo León, einer Region, die vom Drogenkrieg in dem mittelamerikanischen Land nicht verschont geblieben ist.
Jetzt sitzt sie neben mir am Frankreich-Tisch des Café Livre, im vierten Arrondissement in Paris. Frankreich-Tisch heißt, vor uns steht eine kleine blau-weiß-rote Flagge und sämtliche Tischbewohner wollen heute Abend französisch sprechen. Denn das ist das Prinzip der Polyglot-Abende (was in dem Fall mit nur einem „t“ geschrieben wird), außer dem französischen gibt es unter anderem einen deutschen, englischen, schwedischen und portugiesischen Tisch.
Eigentlich bin ich hier gerade nur auf der Durchreise, komme aus England und warte, bis Portugal bzw. Brasilien sich bevölkert. Aber Raquel hat mich mit ihrer Geschichte gefesselt: „Natürlich ist es mega-gefährlich“, sagt sie. „Im Dunkeln traue ich mich nicht alleine raus.“ Wenn sie doch einmal alleine durch die Straßen geht, beschleunigt sie ihren Schritt, guckt stier geradeaus, spricht mit Niemanden, den sie nicht kennt. In den acht Monaten, die sie schon in Paris ist (für ein Au-Pair-Jahr), hat sich die Lage in Mexiko zudem verschlechtert.
„Ich kriege das nicht so richtig mit, weil ich nicht da bin“, meint sie, „aber die Menschen sagen schon: 1810 ist Mexiko unabhängig geworden, 1910 gab es die Revolution – wird 2010 ein neuer Krieg ausbrechen?“ Auch ohne diesen „neuen Krieg“ gab in den vergangenen zwei Jahren schon über 7000 Tote in Mexiko.
„Aber, ist es dann nicht besser, in Paris zu bleiben?“, frage ich. „Naja“, gibt Raquel zu, „es stimmt schon, hier bin ich unbesorgt, wenn ich Abends nach Hause gehe.“ Außerdem könne man der Polizei in Frankreich vertrauen, die wären wirklich da, um einen zu beschützen. Es gebe Recht und Ordnung. In Mexiko gebe es das nicht, die Polizisten würden von den Drogenlords kontrolliert. Oder getötet.
Und dennoch. Mexiko ist nicht nur Drogenkrieg, erklärt mir die angehende Grafikdesignerin. Und erzählt mir von der Kultur, der Musik, dem Essen und ihrer Familie – mit sehnsüchtigem Blick. „Ohne das alles könnte ich nie leben. Nie!“, sagt sie.
L.