… bin ich neulich in der Nähe des Lissabonner Pantheons – als mich fast ein obskurer Schurke anfiel und fast mein gesamtes Hab und Gut klaute. Mein Glück war einer anderen Pech.
Sonntag Nachmittag, vier Uhr. Die Lissabonner Altstadt ist fast menschenleer. Ich sitze auf einer Mauer 40 Meter vom Pantheon entfernt, einer großen weißen Kirche mit runder Kuppel, denke an grüne Rüben und ähnlich Unsinniges, lausche meiner Musik aus dem MP3-Player.
Zwei verliebte Pärchen turteln auf dem Platz an der Kirche, an ihnen vorbei geht ein Mann, rund 30 Jahre alt, starrt mich an. Er läuft die Treppe runter, die Straße hinauf, auf mich zu. Instinktiv klammere ich mich an meiner Tasche fest, gucke die neun Meter Abgrund hinunter, die sich zu meiner Linken auftun. Er kommt näher – 30 Meter, 20 Meter, 10 …
Da geht plötzlich eine kleine Japanerin an mir vorbei, die Straße hinunter. Sie bleibt stehen, photographiert das Pantheon. Der Mann ist nur noch wenige Meter von uns entfernt, ich gucke leicht verkrampft wieder in die andere Richtung. Doch plötzlich höre ich einen Schrei, sehe den Mann auf die Frau zuspringen, denke erst, sie kennen sich, und er will sie nur erschrecken. Dann verstehe ich: Nicht mehr die Japanerin hält ihre Kamera in der Hand, sondern der Halunke. Drei Sekunden scheint die Zeit still zu stehen: Ich bin aufgestanden, wir beide gucken den Dieb ungläubig an, sind wie gelähmt, hilflos. Er beäugt kurz die Kamera, steckt sie in die Hosentasche, grinst, rennt los.
Das arme Mädel schluchzt, schaut mich verzweifelt an, rennt dann hinterher, schreit: „police, police!“ Ich bleibe verdattert stehen, überlege kurz, renne dann auch hinterher. 200 Meter weiter läuft sie rechts entlang, er links. Ich laufe hinter ihm her, finde mich kurze Zeit später in einer engen, verlassenen Gasse wieder, bleibe stehen, schaue mich leicht verunsichert um. Von dem Schurken keine Spur.
Da kommt aus einer anderen Gasse ein Polizist auf einem Motorrad herausgefahren. Ich halte ihn an, beschreibe, was ich gerade gesehen habe. Er hört aufmerksam zu, meint: „Vou dar uma volta para ver se ele ainda ficar aqui.“ (Ich drehe mal ne Runde, um zu gucken, ob er sich noch hier herumtreibt) Ich nicke, lasse ihn fahren, laufe dann die Straße weiter, gehe einmal um den Block, zum Marktplatz oberhalb des Pantheons. Dort steht die kleine Japanerin, neben ihr ein Polizist, sie warten. „Ich habe meinen Kollegen schon Bescheid gegeben“, sagt Letzterer und fügt hinzu: „Ich kann hier nämlich nicht weg, muss das Haus des Verteidigungsministers bewachen“. Und er zeigt über den Platz auf eins der engen Häuser auf der anderen Seite.
Ich warte mit ihnen, stelle ein paar Fragen und fest, dass Madame nur wenig Englisch kann und kein Portugiesisch. Ich erzähle meine Version der Dinge, beschreibe den Dieb.
Zehn Minuten später kommt die Verstärkung: Zwei Polizisten mit dunklen Sonnenbrillen grinsen uns aus dem Auto an. Ich erzähle und übersetze ein bisserl, was die Bestohlene mir sagt. Die Polizisten können wenig Englisch, deswegen fahre ich mit ihnen und der Japanerin durch das Viertel, wir halten alle acht Augen offen, jedoch keine Spur von dem Strolch. „Passiert sowas öfter?“ frage ich den Polizisten auf dem Beifahrersitz. „Ab und zu“ sagt er. „Vor allem aber passiert es, wenn Markt ist beim Pantheon. Und sie fallen gerne Frauen ohne Begleitung an.“
Auch eine halbe Stunden später haben wir den Gauner nicht gefunden, der Japanerin kullern Tränchen über die Wangen. Vor der Polizeiwache steigen wir aus dem Auto, ich verabschiede mich, laufe in Richtung Hostel, alleine. Und halte meine Tasche fest, ganz fest.
L.