… sind Yasmin und ich heute ins Auktionshaus Christie’s getrabt (jedenfalls unter anderem) – und waren nicht die Einzigen.
„Das da drüben ist bestimmt ein Picasso“, sagt Yasmin, meine Kunstgeschichte studierende Ex-Mitwohni, und zeigt auf das Gemälde an der Wand gegenüber, das aus nicht mehr als ein paar Pinselstrichen besteht, die lieblos auf die Leinwand gekleckst wurden. „Aber einer, wo er schon ein alter, frustrierter, sexgeiler Sack war!“
Ich lache laut los, bin gleichzeitig froh, dass (wahrscheinlich) keiner der Kunstkenner um uns herum versteht, was wir so von uns geben. Der Tatort: Das Aktionshaus Christie’s in der Avenue de Matignon, gleich um die Ecke von den Champs-Elysées. Der Anlass: eine Ausstellung mit Brunch, zu der nur geladene Gäste kommen dürfen. Zu denen gehört Yasmin glücklicherweise, macht sie doch ein Praktikum in einer Künstlervereinigung in Paris.
So schleuste sie uns also ein, in die Menge der Kunstkenner in roten Kordhosen mit braunen Leinenjacketts (männlich) oder im kurzen Schwarzen mit Perlenohrringen und Chinchilla-Fell um die Schultern (weiblich).
„Hier ist aber viel los“, hatte Yasmin gleich am Anfang unseres Rundgangs festgestellt. Die logische Erklärung dafür ist für mich das Büffet, an dem schnike Kellner und Kellnerinnen Croissants, Lachsschnittchen und Risotto in kleinen Gläschen reichen. Dazu selbst gepressten O- und Himbeersaft, Kaffee und Sekt. Etwa einen Büffet-Tisch pro Saal gibt es, um sie herum stehen Trauben von Menschen, mümmeln und süffeln, werfen nur gelegentlich mal einen Blick auf die Gemälde an den Wänden.
„Die sind aber schon son bisserl abgenutzt“, meint Yasmin und zeigt auf die zahlreichen Löcher und Flusen an einer der mit Samt bezogenen Wände. Ähnliches gilt für die Glasvitrinen dieses Vorzeige-Auktionshauses – wo zum Beispiel eine Harz-Figur aus Ozeanien für einen Schätzwert von 200.000 Euro steht: Von Staub umweht ist sie, die Scheiben der Vitrine sind leicht milchig.
Wir hangeln uns von Büffet-Tisch zu Büffet-Tisch, erreichen schließlich auch die Räume ohne Nahrungsmittelausgabe. „Sie hat einen leicht deutschen Pinselstrich“, sagt da eine vermeintliche Kunstkennerin rechts von uns zu einer der Angestellten (die alle im schwarzen Kostümchen durch die Gegend stöckeln, mit einem dicken Christie’s-Katalog in der Hand) und zeigt auf eins der Bilder.
„Was heißt’n das?“ raune ich meiner persönlichen Kunstkennerin Yasmin zu. Die zuckt nur mit den Schultern, verzieht die Mundwinkel und betrachtet das Porträtbild vor uns. Seltsam sieht das aus, die Schatten auf Gesicht und Schultern passen nicht zu denen hinter dem Körper, das Licht scheint aus zwei verschiedenen Richtungen zu kommen. „Und, wer hat das verkackt?“ fragt sie mich, ich lache wieder laut, schaue auf den Namen und vergesse ihn sofort.
Gegen zehn vor zwei durchkämmen die Kellner die verschiedenen Kunsträume, deuten mit einem leichten Nicken an, dass die Veranstaltung bald vorbei ist. „Das ist aber gar nicht französisch“, meine ich zu Yasmin, die zustimmend mit dem Kopf nickt. Dennoch traben wir bereitwillig in Richtung Ausgang, mit uns der Großteil an Chinchilla-Fells und Kordhosen. Einige von ihnen haben noch Croissant-Krümel auf der Kleidung. Aber sie sehen zufrieden aus – und satt.
L.