„Und – wie viel hast Du so verloren?“ …

… ist, was ich in Zeiten der Finanzkrise vielerorts höre. Die Antworten darauf variieren – je nachdem, ob die betreffende Person Banker oder Immobilienhai ist, Geld zum Anlegen hat oder nicht.

„Die Kurse werden schon wieder steigen“, meint Jacques, einer meiner Bekannten von der Randonnée, der Skatenight in Paris. Bei der fahren wir auch gerade mit, wie meistens Freitag Abends zwischen 22 und 1 Uhr. Rechts neben uns rollt Pierre, ein weiteres Urgestein der Skatenight – und winkt ab. „Ach, hör mir auf, das sagen sie alle“, entgegnet er – und fügt leise hinzu: „Ich kanns nicht mehr hören … “

Pierre ist Immobilienmakler in der Hauptstadt. Und obwohl er nicht in Immobilien investiert hat (Zitat: „Ich weiß ja aus erster Hand, was das fürn Sch… ist“), steckt doch der Großteil seiner Ersparnisse in Aktien.
Auf meine indiskrete Frage, wie viel er denn verloren hätte, antwortet er nur: „Beaucoup.“ (Viel)

Jacques hingegen hat selbst nicht in Aktien investiert – doch ist er Banker. Wie in London und New York müssen viele seiner Gattung nun um ihren Job fürchten, Jacques hat in dieser Situation eine Art Galgenhumor entwickelt: „Mal gucken, wie lange ich noch durchhalte …“, sagt er und lacht leicht histerisch.

Wie Pierre und Jacques sind auch viele meiner anderen Freunde mehr oder weniger direkt von der Finanzkrise betroffen: Natalya zum Beispiel, meine kleine ukrainische Ex-Mitwohni, macht ein Praktikum bei HSBC, in der Marketing-Abteilung. Und eigentlich hätte sie gute Chancen, danach übernommen zu werden – wäre da nicht der Einstellungsstopp, der vor einigen Monaten in der Bank beschlossen wurde.

Ähnlich gehts Nico, dem Freund von Karine, die ich von meinem Master an der Sorbonne kenne. Hatte er bis vor kurzem sehr gute Chancen auf einen Job im Finanzsektor, muss er nun wahrscheinlich für VIE, ein Volontariat International en Entreprise, nach London gehen. Eine eigentlich verlockende Aussicht – wollten die beiden nicht gerade in Paris eine Wohnung kaufen und zusammenziehen.

Nur Jean-Baptiste, der im Middle-Office bei der Société Générale arbeitet, kann sich seines Jobs und seiner Prämie am Ende des Jahres sicher sein. Er kontrolliert nämlich die Arbeit der Trader – und ist so in einer der wenigen Abteilung, in der – „dank“ der Affäre Kerviel – noch Leute eingestellt werden.

L.