…die Welt ist ein Taschentuch, pflegen die kleinen Spanier zu sagen (zu deutsch: die Welt ist klein). Und genau das dachte ich gestern, als ich Honk die letzte U-Bahn verpasste. Völlig verwirrt suchte ich erst nach Norden, fand dann die Nachtbus-Haltestelle und teilte schließlich ein Taxi mit einem Unbekannten, der mir doch bekannt war – jedenfalls indirekt…
Wer’s durch Paris schafft, für den ist Hamburg doch ein Klax – dachte ich und hüpfte frohen Mutes gegen halb eins an der Hamburger U-Bahn-Haltestelle „Christuskirche“ die Treppe wieder hoch. „Der Fahrbetrieb ist unterbrochen, bitte benutzen Sie die Nachtbusse“ hatte auf dem Bahnsteig gestanden. Also wusste ich, was zu tun war.
Und da stand ich dann. Ohne Stadtplan. Ohne Busplan. Ohne Kompass. Zweimal irrte ich die Straße hoch und runter, war schließlich völlig verwirrt (da schon zwei Bier intus) und verzweifelt (da spät und ich müde) und sprach die nächste Passantin an: „Kein Problem.“ Meinte die. „Da müssen Sie nur die Straße entlang laufen bis zum Schlump.“ Und sie fuchtelte wild mit den Armen (ich glaube, sie wollte in Richtung Süden zeigen). „Da nehmen Sie dann die U-Bahn oder wenn die auch weg ist, den Nachtbus. Der fährt bis zum Rathaus, also nach Süden.“ Und wieder versuchte sie, nach Süden zu zeigen. „Am Rathaus“, fuhr sie fort, „nehmen Sie dann…nen anderen Bus. Oder die U-Bahn…“ und sie guckte mich verwirrtes Wesen verwirrt an. „Öh“, meinte ich, „okay, bis zum Rathaus weiß ich ja jetzt schonmal Bescheid“, und hüpfte davon (in Richtung ihres Fuchtelns).
Zehn Minuten später stand ich wieder da. Am Schlump dieses Mal, an der Nachtbus-Haltestelle. Nur 20 Minuten würde ich auf den Bus warten, ward dort geschrieben. Spätestens um zwei müsste ich ja dann zu Hause sein, versuchte ich, mich zu trösten. Und während ich so vor mich hin fröstelnd den Gedanken an meine schlaflose Nacht verdrängte, kam ein Honk daher. Ein Honk mit Dätschkäpp à la Herbert Knebel.
Und weil ich von Paris gelernt habe, dass ich nachts um eins alleine in einem Stadtteil, den ich nicht kenne, keinem in die Augen schauen sollte, schaute ich auch dem Honk nicht in die Augen. Doch es half alles nichts: „‚Tschuldigung“, ertönte es von weiter unten (ich starrte schließlich gerade angestrengt in die Luft). „Wie komm ichn von hier zur Mundsburg?“ Und er guckte mich hoffnungsvoll an. Im Helferinstinkt versunken fasste ich mir da ein Herz, überlegte fünf Minuten, woher ich den Namen „Mundsburg“ kannte und kam schließlich darauf: das war die U-Bahn-Station direkt bei mir um die Ecke.
Dies teilte ich dem jungen, sympathischen Mann mit und wir beschlossen, ein Taxi zu teilen. Kaum gesagt, stand auch schon eins vor uns und wir hüpften hinein. Der Fahrer: ein echter Alt-Rocker aus den 80ern mit Vokuhila (also Vorne-kurz-hinten-lang aufm Kopf) und sympathischem rosa Holzfällerhemd, passend zur blassblauen Jeans. Die Haare waren zwar schon weiß, dafür aber stilecht nach oben gegelt (jedenfalls der Voku-Teil).
Und während unser Rocker das Taxi sicher durch die autofreien Straßen lenkte, entdeckte ich die Taschentuch-Welt: Der junge Mann war nämlich seit einem Tag in Hamburg. Und hier wohnt er nun, da er eine Stelle bei NDR2 bekommen hat. „NDR? Da kenn ich doch jemanden!“ rief ich begeistert und beschrieb die junge Dame, die mit mir schon zu Radio Q-Zeiten die Münsteraner Kurzwellen unsicher gemacht hatte. „Tja“, meinte da Monsieur auf dem Vordersitz (nein, nicht der Fahrer, sondern der annnere!) „Die kenn ich auch. Und bei meinem letzten Aufenthalt in Hamburg hat sie mich sogar beherbergt.“ Da dacht ich nur: Tja, wen man nicht so alles trifft, nachts um eins auf Hamburgs Straßen…
L.