…hab ich heute erlebt – bei der Konferenz „Measuring Institutions and Law“ im Conseil d’État, gleich gegenüber vom Louvre.
Dahin war ich eigentlich nur durch Zufall gekommen, und zwar weil meine Profs meinten, das würde mir für meine Masterarbeit helfen. Und reingelassen hat mich der ach so freundliche Organisator auch nur mit der Bemerkung „Na gut, aber setzen Sie sich ganz hinten in die Ecke“ – fehlte nur noch, dass er sagt „Und wagen Sie bloß nicht, zu atmen!“.
Das mit der Ecke war nicht ganz möglich, da die Tische im Hufeisen angeordnet waren. Und geatmet hab ich auch, ja, sogar mit den anderen Teilnehmern der Konferenz geredet, die – im Gegensatz zu Monsieur – auch alle sehr nett zu mir waren.So lauschte ich also gestern schon voller Spannung Menschen von der OECD, der Weltbank, dem Weltwirtschaftsforum und dem französischen Finanzministerium. Sogar einer Videokonferenz nach Washington mit dem Team von doingbusiness wohnte ich bei und war fröhlich, in den Pausen mit Amerikanern, Engländern, Italienern und Spaniern plauschen zu können (natürlich alles Größen in ihrem Forschungsgebiet im Gegensatz zu mir Furz-Studentin…).
In regelmäßigen Abständen sorgte Monsieur Organisator natürlich trotzdem für den kleinen Wehrmutstropfen – zum Beispiel als er auf dem Weg zurück von der Videokonferenz meinte: „Wo ist denn die Studentin von der Sorbonne?“ und als er mich gefunden hatte „Gehen Sie mal runter und passen Sie auf, dass keiner in der Tür stecken bleibt.“ Das tat ich natürlich mit Vergnügen (den Drang, ihm eine zu schallern, unterdrückte ich schnell), um jedoch unten angekommen festzustellen, dass bereits drei seiner Lakaien die Tür überwachten (was mir irgendwie das Gefühl gab, er wolle mich so weit wie möglich von den anderen Gästen entfernen…auf jeden Fall aber so oft wie möglich klar machen, wer hier die Peitsche in der Hand hat).
Beirren ließ ich mich davon jedoch nicht, quatschte weiterhin mit der kleinen, lustigen australischen Richterin zu meiner Linken oder dem Prof aus Barcelona mit dem akzentfreien Englisch zu meiner Rechten.
Heute Nachmittag schließlich erreichte die Konferenz ihren Höhenpunkt: Daniel Kaufmann sollte seinen Vortrag halten – ja genau, DER Daniel Kaufmann mit seinem Governance Matters, der bis jetzt DAS System zum Messen der Institutionen in einem Land erschaffen hat.
Unter Lobeshymnen des Chairmans betrat er das Podium, man merkte förmlich, wie alle Anwesenden an seinen Lippen hingen – ich rechnete jede Minute damit, dass sich die Superökonomen um mich herum in der Mitte auf den Boden knien und dem großen, ökonomischen Allah schweigend die Gebetsehre erwiesen…
Dies passierte jedoch nicht und trocken ergriff Mister Kaufmann das Wort. Gar nicht zu Kopf gestiegen war ihm die ganze Aufmerksamkeit, nein, während seines Vortrags stellte er kurz seine Indikatoren vor und ging dann sofort dazu über, sie zu kritisieren. „Keinesfalls perfekt“ seien die 6 Messmethoden und offen für Anregungen sei er. Wieder einmal ein Beispiel dafür, dass, wer wirklch was kann, es nicht nötig hat, damit anzugeben…
Sokrates hätte dazu gesagt: „Ich weiß, das ich nichts weiß.“
L.