…hab ich heute umgesetzt in meinem kleinen Paris.
Da steht man doch bei der Wohnungssuche gewöhnlich gegen halb sieben auf, um die neuen Anzeigen Donnerstag morgens auf PAP zu lesen, hat dann Angst, die Vermieter aus dem Bett zu klingeln. Und zögert dann für gewöhnlich fünf Minuten zu lange.. …und schon 50 andere Wohnungssuchende hatten vorher keine Skrupel, arme Vermieter aus dem Bett zu klingeln – die dann für gewöhnlich ab 6.40 Uhr nach dem 55sten Anrufer den Anrufbeantworter anschalten und keine neuen Kandidaten mehr annehmen. Dies widerum bedeutet, man hat sich umsonst als Langschläfer um 6.30 Uhr aus dem Bett gequält und darf die folgende Woche dieselbe Tortur nochmal auf sich nehmen – ohne natürlich wirkliche Chancen zu haben gegen all die Kandidaten, die da gleichzeitig anrufen und tausende von Euro verdienen, wohingegen man selber armer Student ist und dazu noch kein Franzose…
Hat man dann doch einmal Glück und erwischt den Vermieter und nicht die Mailbox, wird man eventuell eingeladen zu einem dieser Massentermine, steht Schlange vor der Tür. Drei Stunden Wartezeit später wird man reingelassen, in das kleine, dreckige, heruntergekommene Appartment. Der Vermieter hat es nicht nötig, freundlich zu sein. Er hat es nicht nötig, bescheiden zu sein. Und er hat es nicht nötig, einen angemessenen Preis zu verlangen.
Genauso freudestrahlend wie man endlich einmal zu einem Wohnungstermin gehüpft war, genauso enttäuscht und mit hängenden Schultern schlurft man also nach den drei Stunden Schlange stehen wieder davon – und ist so gar nicht motiviert für den nächsten Wohnungskampf…
Sollte man dann nach tagelanger Depression sich doch wieder aufraffen und diesmal die WG-Annoncen attackieren, macht das das Ganze nicht einfacher. Denn auf der verzweifelten Suche nach einem eigenen Zimmer wird man zunächst Menschen finden, die ihr Zimmer oder gar ihr Bett mit einem teilen wollen. Oder aber sie bieten einem einen Platz auf dem Sofa im Wohnzimmer an. Oder aber sie bieten einem ein Zimmer nur für unter der Woche an – es gibt ja schließlich genug Brücken in Paris, unter denen man das Wochenende verbringen kann…
Finden kann man diese Super-WGs auf zahllosen Internetseiten, die Wohnungsanzeigen anbieten – und bei denen die Anmeldung nur 40 Euro pro Monat kostet (das alles natürlich ohne Erfolgsgarantie).
Voller Hoffnung hab ich mich also dieses Mal 6 Wochen vor meiner Deadline zum ersten Juli in den Wohnungskampf gestürzt. Und voller Hoffnung war ich vorgestern an das Ende der Welt in Clichy gefahren, nur um dann voller Hoffnung in die enge, dunkle Wohnung zu treten, in der ich mit einem Franzosen und seiner kubanischen Frau hätte wohnen sollen, in einem 8-m²-Zimmer für nur 400 Euro…am Ende der Welt (jedenfalls für mich, als verwöhntes Zentrumskind).
Und wie erwarten war ich nach dem hoffnungsvollen Anlauf mit hängenden Schultern zurück über den windigen Parkplatz in die Métro getrottet. Nur um mich dann dort von Crusty dem Clown aus Martinique attackiern zu lassen, der meinte, mir mit seinem Kaffee-Zigaretten-Atem schöne Augen machen zu müssen und von unserer doch meiner Meinung nach gar nicht vorhanden „Connection“ auf den ersten Blick sprach.
Von der Wohnungssuche enttäuscht und von schlechtem Atem betäubt schlurfte ich eine Stunde später also wieder in mein kleines Durchgangszimmer nahe des Tour Eiffel. Ich starrte auf meinen Hinterhof, hörte die Kinder sich unten anschreien, meinen Mitbewohner in seinem Zimmer auf und ab laufen und die italienischen Nachbarn von oben mal wieder Möbel verrücken.
Und da sah ich es, das Licht am Ende des Tunnels: eine neue Anzeige auf einer der WG-Seiten, die so horrendes Geld kosten und auf der ich bis jetzt nur als nicht zahlendes Standard- und nicht Premium-Mitglied eingetragen bin und so die meisten Anzeigen der anderen gar nicht komplett sehen kann. Anders als ich hatte sich Marjorie als Premium-Mitglied angemeldet, die kleine Modedesign-Studenten, die ein Zimmer anbot mitten in der Stadt, nahe des Place d’Italie. Groß sollte es nicht sein, hell auch nicht, aber dafür sympathisch. So hüpfte ich also gestern dorthin, in einem neuen Anfall von Wohnungshoffnung.
Und siehe da, schön war das Zimmer! Klein war es zwar und etwas dunkel, aber mit Hochbett und sympathischer Mitbewohnerin und netter kleiner Wohnung (und sogar einer Spülmaschine!). Im Erdgeschoss lag es, aber zum Glück mit Gittern vorm Fenster, die im Hof spielende Kinder samt Fußbällen abhalten sollten. Teurer als meine jetzige Wohnung sollte es auch nicht sein und spontan sagte mir mein Bauch „Oh wie schön!“.
Trotz meiner Freude auf dem Heimweg konnte ich jedoch nicht umhin, nicht daran zu glauben, kannte ich doch schließlich die Pariser Wohnungs-Gesetzmäßigkeiten mit der endlosen Suche, der endlosen Verzweiflung und den zahllosen Rückschlägen… Und doch bestätigt anscheinend die Ausnahme die Regel und zwei Stunden später rief mich meine nun zukünftige Mitwohni an, um mir die frohe Nachricht zu verkünden!
So kann ich dem vor der Wohnungstür Schlange Stehen und dem unter der Brücke Schlafen erstmal „Au revoir“ sagen…
L.