Die Ankunft am pittoresken Pekinger Flughafen ist für so manchen Reisenden mit gewissen Ängsten verbunden. Unbegründeten Ängsten?
Zehn Stunden Flug sind eine lange Zeit. Da kann man ausführlich im Reiseführer über das nun beginnende Abenteuer lesen. Über Reisterrassen, Karstberge und idyllische Flusslandschaften. Aber nicht nur Harmonie findet sich dort schwarz auf weiß:
„Mittlerweile legendär ist die Abzocke am Beijinger Capital Airport“, steht in meinem 1000-seitigen Begleiter. „Wer sichergehen will, an einen seriösen Fahrer zu gelangen, sollte sich immer in die Schlange am Taxistand einreihen und darauf achten, dass das Taxameter eingeschaltet ist“.
Und etwas weiter unten: „Sogar in Peking soll es schon vorgekommen sein, dass alleinreisende Frauen von Taxifahrern in entlegende Gegenden kutschiert und dann ausgeraubt wurden.“
Nicht mit mir, denke ich überheblich selbstbewusst und vertraue darauf, dass die Chinesen wirklich so klein sind, wie man sich das vorstellt. Die puste ich einfach um, sage ich mir. Bis ich wenig später in der Schlange am Zoll stehe – und lauter Chinesen in die Augen gucken kann. Ohne nach unten zu schauen.
Tja, denke ich und suche schnell nach einer neuen Strategie für den Ernstfall. Kung-Fu-Kenntnisse vortäuschen? Im Land des Kung Fus vielleicht nicht sone gute Idee…
Dann bleibt immer noch laut schreien, mit den Armen wedeln und weglaufen, sage ich mir und nicke zufrieden.
Doch zunächst ist ja noch alles gut in der besten aller Welten. Ich stehe brav an, mit meinen Füßen exakt auf den auf dem Boden aufgemalten Fußspuren (so große Füße wie ich haben sie auch noch!). Dann bin ich an der Reihe. Der Mann am Schalter guckt mich gelangweilt an, vergleicht mein Gesicht mit dem Photo in meinem Pass, reißt die Einreisekarte ab, gibt mir die Ausreisekarte zurück und winkt mich durch.
„Aliens shall not be employed in China without the permission of the competent government“, steht auf der Rückseite meiner Ausreisekarte. Da ham se Recht, die Chinesen – Aliens sollte man nun wirklich nicht einstellen.
Nun habe ich es also geschafft. Ich bin ins Land der Mitte eingereist – obwohl ich Journalistin bin. Da stehe ich also, in der nicht wirklich schmucken Empfangshalle des Pekinger Flughafens. An mir vorbei laufen andere Reisende, und immer wieder kreist einer der Geier um mich rum und raunzt „Taxi, Taxi?“. Ich schüttele vehement den Kopf. Ich weiß genau, was Ihr mit mir vorhabt, denke ich mir und werfe selbstbewusst den Kopf zurück.
Dann stampfe ich voller Zuversicht zur Tür heraus und finde nach nur zehn Minuten panischen Suchens erfolgreich die Taxischlange. Im Sauseschritt geht es dann voran, und nur wenige Minuten später stehe ich vor meinem Taxi-Fahrer. Ein rund 60-jähriger Mann ohne nennenswerte Englischkenntnisse.
Ich schlucke kurz und stürze mich dann in den Kampf meiner ersten Chinesisch-Konversation. Doch schon bei der Adresse stolpere ich über die Nicht-Existenz meines fließenden Chinesisch. Resigniert halte ich ihm so den Zettel mit der Adresse hin samt Stadtplan. Kurz berät er mit einem Kollegen. Keiner von ihnen scheint zu wissen, wo die Fahrt wohl hingehen soll. Aber es muss vorangehen in der Taxischlange und wenige Minuten später sitze ich im Taxi.
Der Unbekannte auf dem Fahrersitz guckt, während des Fahrens, mit einer Lupe meine Adresse und Karte an. Dann schüttelt er den Kopf und redet laut auf mich ein. So nach dem Motto, wenn sie mich nicht versteht, liegt das bestimmt nicht daran, dass sie kein Chinesisch kann. Nein, sie hört nur nicht richtig.
Das Geblabber wird immer lauter und noch immer verstehe ich kein Wort. Verzweifelt halte ich irgendwann einfach nur meine Hand mit ausgestrecktem Daumen und kleinem Finger ans Ohr. Mein Chauffeur nickt verzückt. „Dian hua“ schreit er – Telefon.
Und zwei Minuten später brüllt er nicht mehr mich, sondern mein Telefon an – und spricht mit meiner Kontaktperson in meiner neuen Chinesisch-Schule in Peking. Acht Minuten und 20 Euro Telefonkosten später sind wir dann auf dem richtigen Weg. Endlich.
Und während ich noch die graue Smog-Landschaft genieße (an diesem Tag ist die Luft über der chinesischen Hauptstadt mal wieder besonders verschmutzt), brüllt es von vorne erneut los. Kurze Sätze, durchhackt mit schallendem Gelächter. Etwas beschämt wegen meiner peinlich-abwesenden Chinesisch-Kenntnisse lache ich leise, nicke, sage „hehe“. Der Mann auf dem Fahrersitz dreht nur irritiert den Kopf. Dann verstehe auch ich, dass er nicht etwa mit mir redet, sondern mit seinem Telefon.
Jetzt ist es soweit, denke ich da, als er wieder in eine seiner Lachsalven ausbricht. Er bespricht mit seinen Kollegen, in welchen Stadtteil er mich bringen soll, um mich auszurauben. Ich bereite mich vor, innerlich, auf den langen Sprint, das Arme-Wedeln, das Schreien aus vollem Halse. Und das alles trotz Jetlags. Als schließlich das Taxi hält, bin ich bereit für den Überlebenskampf. Und voller Misstrauen schaue ich aus dem staubigen Fenster.
Doch anstatt böser Gangster guckt mich da nur ein freundlich-lächelnder Schweizer an. „Bonjour“, ruft Adrian von der Capital Mandarin School, an der ich die nächste Woche Chinesisch lernen werde, ins Taxi rein. Und ich gucke nur verwirrt, weiß nicht genau, ob ich nun in China, Frankreich oder der Schweiz bin. Aber wenigstens muss ich nicht rennen und mit den Armen wedeln. Das wäre auch schwierig geworden – mit all dem Gepäck auf dem Rücken.
L.