In einer richtigen Jetsetter-Bar…

…haben wir gestern die nicht vorhandene Tanzfläche gerockt. Und sind dabei selbst zu Jetsettern geworden. Fast.

Es ist schon tiefster Winter in der Bar Charlie Birdy Boétie: Von der Decke hängen in Wellen weiße Tücher, darin schweben weiße Luftballons. Auf dem Boden der rosa-schwarz dekorierten Kneipe sind glitzernde Kunststoffschneeflocken verteilt. Einer der Kellner trägt passend dazu Skihose, -mütze und –brille. Der DJ hat sich lediglich für Schneejacke und –mütze entschieden. Auch wenn dem Rest der Anwesenden schon im T-Shirt zu warm ist – zumindest gilt das für mich.

 

Das Ambiente wird im Internet als „Mischung aus britischem Gentlemen-Klub im Kolonialstil und New Yorker Bar im Penthouse-Stil“ beschrieben. Mich erinnert das Ganze eher an eine dieser angesagten Discos im Zentrum Londons, in denen der Großteil der Mädels Rock durch Gürtel ersetzt. Mit einem Unterschied: die Madames tragen hier zweier solcher Gürtel – einen oben und einen unten.

 

Eine ganze Reihe solcher Exemplare sitzen in meinem Rücken: 1,80m große Gazellen mit noch einmal mindestens sieben zusätzlichen Stiletto-Zentimetern. Allesamt sind sie unnatürlich braun für diese doch kalte Jahreszeit. Sie überragen bei weitem die Herren des Tisches, deren säuberlich rasierte Brust unter entweder weit aufgeknöpftem Hemd oder tief ausgeschnittenem T-Shirt hervorschimmert. Sie ist geschmückt von mehr oder weniger dicken Goldketten. Die Haare auf dem Kopf sind entweder abrasiert oder mithilfe von anderthalb Tuben Gel in geschmeidigen Wellen nach hinten gekämmt.

 

Was wir in diesem Laden machen, fragen sich wohl nicht nur die Jetsetter hinter uns. Unser Tisch voller hauptsächlich libanesischer Zottel ist da, um Ranas und Ellies Geburtstag zu feiern. „Hier kann man sowohl essen, als auch danach tanzen“, stand in der Einladung. Und so ist das ja auch – selbst wenn es leicht an einer Tanzfläche mangelt.

 

Die Superstars hinter mir scheint das nicht zu stören. Immer wenn das Lied „Happy Birthday to you“ ertönt, springen die Amazonen kreischend auf, werfen ihre Arme in die Luft und wackeln mit den in wenig Stoff gehüllten Hintern. Die Monsieurs der Schöpfung schmeißen sich dann an sie, umfassen sie fest und wackeln mit ihnen. Ihr Mund ist dabei verdächtig nahe am Hals der jungen Göttinnen – weiter hoch reichen sie ja nicht.

 

30 Sekunden später ist das Spektakel wieder vorbei und sowohl Gazellen als auch Goldkettchen-Gnome sitzen brav auf ihren Stühlen und gucken süffisant oder gelangweilt vor sich hin.

 

Wir indes spielen erfreut mit den Luftballons, die immer wieder den weißen Tüchern entfleuchen. Antoine neben mir versucht krampfhaft, mich mit seinem Deutsch zu beeindrucken – zum Beispiel mit Sätzen wie „Welche Farbe haben meine Schuhe?“ oder auch „Ich bin Ingenieur und möchte deutsch lernen“.

 

Beim Dessert dreht das Charlie-Birdy-Boétie-Team auch für Rana und Ellie das Geburtstagslied auf und voller Freude hüpfen wir auf unseren Stühlen auf und ab.

 

Die Geburtsamazone im Hintergrund (denn eine von ihnen feiert an diesem Abend Geburtstag, wie auch ich inzwischen mitbekommen habe) kreischt wild, als sie eines nach dem anderen ihre Geschenke auspackt. Quiekend hält sie schwarze Lederhandtasche nach schwarzen Stiefeln in die Höhe, hüpft dabei zehn Sekunden an Ort und Stelle hoch und runter und geht dann zum nächsten Geschenk über.

 

Wir haben inzwischen auch Geburtstagskuchen und Digestif hinter uns gebracht und warten auf den Anpfiff zum Tanz. Als der nicht kommt, springe ich irgendwann auf, reiße zwei der anderen Zottel mit mir in Richtung der kleinen freien Fläche zwischen den Tischen und wild juckeln wir zu Technomusik zwischen den Gästen hin und her. Viel Spaß haben wir dabei, ignorieren die leicht peinlich angerührten Blicke der anderen Anwesenden – was auch einige der anderen Zottel mit einschließt.

 

Und doch: Ein paar der Trendsetter stimmen schließlich ein in unseren Zottel-Tanz. Selbst wenn sie dabei an unsere Lässigkeit dabei natürlich nicht heranreichen…

 

L.