…war für mich immer ein fast abstrakter Begriff für jemandem, der mir an meiner Wohnungstür etwas aufschwätzen will. Bis mich selbst ein solcher beehrte. Auf keineswegs angenehme Art.
„Wir sind hier für die Ramonage„, sagt der Mann vor meiner Wohnungstür. Hinter ihm entdecke ich ein zweites Paar Augen, das mich mustert, mit durchdringendem, leicht wahnsinnigem Blick.
Ramonage bedeutet wörtlich übersetzt Schornsteinfegen, was mir in diesem Moment nicht klar ist. So merke ich auch nicht, wie der kleine, untersetzte Mann, nachdem ich ihn reingelassen habe, mir langsam aber sicher einen großen, übergewichtigen Bären auf den Rücken hievt und… aufbindet.
Gesetzlich vorgeschrieben sei das, meint er. Dann zeigt er auf unseren Boiler, der vor einem Jahr neu installiert wurde. Die Rohre müssten überprüft werden, einmal pro Jahr, erklärt er. Gesetzlich vorgeschrieben sei das, wie gesagt. Er redet und redet, lacht, kommt näher, respektiert weder meine morgendliche Geschwindigkeit, noch den nach allgemeinen (oder meinen?) Regeln einzuhaltenden Körperabstand.
Ich gucke ihn nur an, mit großen, etwas verschlafenen Augen. Das Aufwachen war an diesem Morgen besonders hart, nach einem aufregenden, von schlaflosen Nächten durchsetzten Wochenende, da ich Besuch von meiner Freundin Inka aus Berlin hatte. Die liegt immer noch auf ihrer Matratze auf dem Boden meines Zimmers. Und als ich kurz nicht aufpasse, macht Monsieur Hyperaktiv einen Schritt in mein Zimmer, guckt um die Ecke, sagt „Ach, da liegt ja noch jemand“ und will auch nicht sofort wieder von meiner Zimmer-Türschwelle weichen. Sein Schatten drängt sich mit ins Zimmer und scannt mit seinem Blick frenetisch mein Bett, meinen Schrank, meine Bücher und meine Besucherin.
In einem Moment der Wachheit frage ich den Chef: „Haben Sie eine Visiten-Karte?“ Und der dunkelhaarige Mann mit dem hektischen Grinsen – der sich übrigens auch in keinem Moment namentlich vorgestellt hat – schüttelt den Kopf. Dann: „Wir waren auch letzte Woche schon da, da waren Sie aber nicht da. Deswegen ist das heute Ihre letzte Chance.“ Sagt’s und guckt mich erwartend an. Rund 70 Euro soll der Spaß kosten. „Dann haben Sie aber auch für ein Jahr Ruhe“, fügt er hinzu und lacht schallend.
Ich, völlig überfordert von diesem morgendlichen Angriff, greife zu meinem Handy und wähle meine persönliche Rettungsnummer: die meiner Mitbewohnerin. Sie geht nicht ran. Dann rufe ich meine ehemalige Mitwohni an. Auch da keine Antwort. Was mache ich jetzt, frage ich mich und trete von einem Fuß auf den anderen, während der Eindringling mich immer noch durchdringend anguckt.
In dem Moment öffnet sich die Tür meiner Mitbewohnerin und ihr Freund JB kommt heraus, ebenfalls leicht verschlafen. JB ist Gendarme, aber schon allein die Präsenz eines anderen Mannes lässt unseren Eindringling leicht zurückweichen. Doch nur kurz, denn schon stößt er wieder nach vorne, macht einen Schritt diesmal in das Zimmer meiner Mitbewohnerin. „Ah“, schreit er dann, „sie haben einen Kamin! Der muss auch gefegt werden – das ist gesetzlich vorgeschrieben.“
JB und ich gucken uns verdutzt an, schütteln dann gleichzeitig den Kopf. „Dieser Kamin wurde seit Jahrzehnten nicht benutzt“, sage ich ablehnend. Und JB meint: „Nee, also ehrlich jetzt ist aber mal Schluss!“
„Doch“, erwidert Mister Unsympath, „das steht im Mietvertrag – Artikel vier oder fünf…“
Daraufhin mache auch ich einen Schritt in das Zimmer meiner Mitwohni und meine zu JB: „Weißt Du, wo sie den Mietvertrag aufbewahrt hat…?“ Und er schüttelt den Kopf.
Indes setzt unser allerliebster Eindringling zu einer neuen Attacke an: „Das ist gesetzlich vorgeschrieben“, krächzt er. Wartet, guckt uns leicht entnervt an, dreht sich zu seinem Kollegen um (der immer noch kein Wort gesagt hat) und sagt: „Komm, wir gehen!“ Dann stampfen beide – wütend! – aus unserem Appartment heraus.
Ich schließe die Tür hinter ihnen – und atme erleichtert auf.
L.